Tota pulchra es, Maria – Ganz schön bist du, Maria
In die Adventszeit fällt eines der großen Marienfeste – das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“, das die Kirche am 8. Dezember feiert. Man kann es auch das Hochfest der Immaculata oder der Erwählung Mariens nennen.
Am 8. Dezember 1854 hat Papst Pius IX. diese Glaubenslehre als Dogma verkündet. Für viele bis heute unverständlich, denn davon steht explizit nichts in der Heiligen Schrift. Und doch ist die Christenheit von Anfang an dem Geheimnis der Gottesmutter auf der Spur. Das hat etwas mit ihrer besonderen Mutterschaft zu tun.
Die Glaubenslehre, dass Maria vom ersten Augenblick ihres Daseins an von der Erbschuld (Urstandssünde) bewahrt bleibt, steht zwar nicht ausdrücklich in der Heiligen Schrift, doch wurden Aussagen der Heiligen Schrift, wie z.B. im Buch Genesis, in den Evangelien, in der Offenbarung des Johannes, schon früh in diesem Sinne gedeutet und verstanden.
Auf Ephräm den Syrer im 4. Jahrhundert geht folgender Text zurück:
Tota pulchra es, Maria
et macula originalis non est in te.
Vestimentum tuum candidum quasi nix, et facies tua sicut sol.
Tota pulchra es, Maria,
et macula originalis non est in te.
Tu gloria Hierusalem, tu laetitia Israel, tu honorificentia populi nostri.
Tota pulchra es, Maria.
Freie Übersetzung:
Ganz schön bist Du, Maria,
und der Erbschuld Makel ist nicht in dir.
Deine Kleider sind hell wie Schnee, und Deine Gestalt wie die Sonne.
Ganz schön bist Du, Maria, und der Erbschuld Makel ist nicht in dir.
Du bist der Ruhm Jerusalems, du die Freude Israels, du die Ehre unseres Volkes.
Ganz schön bist Du, Maria.
(Du Fürsprecherin der Sünder. Maria, Du klügste der Jungfrauen, Du mildeste der Mütter, bitte für uns bei unserem Herrn Jesus Christus.)
Große Theologen wie Anselm von Canterbury, Duns Scotus und Bernhard von Clairvaux waren Verfechter der Sündelosigkeit Mariens.
Maria ist das reinste, in einmaliger Weise von Gott bevorzugte Geschöpf, da sie erwählt war, die Mutter des göttlichen Sohnes zu werden. Sie ist die neue Eva, die ohne Sünde blieb und so zur „Mutter aller Lebenden“ wurde.
Unbeschadet davon bleibt, dass Maria auf natürliche Weise Kind ihrer Eltern ist und dass auch sie durch den Kreuzestod Jesu Christi erlöst ist, sozusagen im voraus, da den Heiligen nur Heiliges aufnehmen kann.
Gott bereitet in Maria den neuen Anfang vor, damit seine Verheißung von Rettung und Erlösung sich erfüllen und Christus, der neue Adam, in diese Welt eintreten kann.
In diesem Sinn ist das Hochfest der Immaculata ein wahrhaft adventliches Fest.
Angefangen hat alles mit dem Sündenfall und dem verlorenen Paradies. Der Mensch wollte sein wie Gott, und plötzlich merkte er, dass er nackt, vergänglich, sterblich ist.
Und doch macht Gott ihm eine große Verheißung, dass ein Nachkomme Evas der Schlange den Kopf zertreten und das Böse, Sünde und Tod überwinden wird. Diese Verheißung hat sich in Jesus Christus, dem Heiland und Retter, erfüllt. Er ist der neue Adam, der den Ungehorsam des ersten Adam überwindet. Maria ist die neue Eva, die nicht vergängliches, sondern unvergängliches Leben empfängt und gebiert. Sie ist das neue Paradies, der neue Garten Eden, in den Gott den neuen Adam, nämlich Christus, hineinsetzt.
Da das Erlösungswerk noch aussteht, greift Gott sozusagen voraus, indem er Maria im Hinblick auf die bevorstehende Erlösung in den Zustand versetzt, wie er sich den Menschen von Anfang an gedacht hat. Um Christi willen ist Maria die Vorerlöste, und da die Sünde die Ursache für den Tod ist, Maria aber sündelos bleibt, ist sie auch die Vollerlöste, die als erste die Frucht der Auferstehung Christi verkosten darf.
Was Gott auf einzigartige und einmalige Weise an Maria getan hat, das tut er auch für uns. In der Taufe ist uns die Urstandssünde abgewaschen. Gott versetzt auch uns in den Zustand der Reinheit und Sündelosigkeit und beschenkt uns mit dem ewigen Leben. Dennoch bleibt die menschliche Natur eine durch die Sünde verwundete und gebrochene Natur, die immer wieder in den „alten Adam“ zurückfällt.
Durch das Sakrament der Versöhnung können wir den verlorengegangenen Gnadenstand zurückerlangen. Auch wenn wir sterben werden, sollen wir nicht tot sein, sondern leben. Die Auferstehung Jesu ist die große Verheißung und unsere Hoffnung.
Mit Maria beginnt das große Drama der Erlösung von Sünde und Tod. Durch ihre Erwählung und ihr Ja-Wort wirkt sie daran mit. Aus ihr wird der Sohn Gottes Mensch, unser Erlöser. Dieses große Ereignis werden wir Weihnachten wieder feiern.
Die großen Geheimnisse der Gottesmutter korrespondieren und bedingen einander:
Die Immaculata – die von Gott Erwählte; die Virgo - die Jungfrau, die neue Eva; die Theotokos - die Gottesgebärerin; die Assumpta – die Aufgenommene, die Vollendete.
So ist und bleibt Maria ein Zeichen der Hoffnung und des Trostes, weil Gott Großes an ihr getan hat um unseretwillen, damit der Sohn Gottes Mensch werden und uns von Sünde und Tod erlösen kann.