Pater Antoni Rauer:

Pater Antoni Rauer
Priester und Missionar der Stille –
zum 100. Geburtstag von Pater Antoni Rauer TChr. am 25. Juni 2009.

 

Wohl wenigen Mitgliedern unserer Pfarrgemeinde war in den 80-er und 90-er Jahren die Person des polnischen Paters Antoni Rauer bekannt, denn nur wenige wussten überhaupt, dass sich hier in Köthen eine kleine Gemeinde von polnischen Arbeitern und Ingenieuren allwöchentlich um den polnischen Priester zur Heiligen Messe scharte. Die Kontakte zu den örtlichen Gemeindemitgliedern waren sehr gering; eigentlich schade, da die polnischen Arbeiter vom Förderanlagenbau bei der Neugestaltung der St. Anna-Kirche Hand anlegten. So konnte man an fast jedem Samstagnachmittag in der Lohmannstrasse dem älteren Geistlichen in Begleitung eines jungen Mannes begegnen, wie er sich aus Magdeburg kommend zu seiner priesterlichen Wirkungsstätte begab.

1909 in der Nähe von Posen geboren, wurde Antoni Rauer nach der Gymnasialzeit Novize der „Christusbruderschaft (TChr.)“, der in Polen gegründeten „Societas Christi pro Emigrantibus“, also einer Ordensgemeinschaft zur geistlichen Betreuung polnischer Bürger in der Fremde.

Noch vor den „ewigen Gelübden“ nahm Antoni Rauer das Theologiestudium in den geistlichen Seminaren in Gnesen und Posen auf. Vom Kriegsbeginn am 1. September 1939 waren beide Seminare betroffen: in den dem Deutschen Reiche angeschlossenen Provinzen durfte es keine polnischen Bildungseinrichtungen mehr geben. So blieb dem jungen Priesteranwärter nur der Weg in das so genannte Generalgouvernement, in das deutsche Besatzungsgebiet, übrig. Am 5.Mai 1940 empfing Rauer die Diakonatsweihe, und am 18. Mai des gleichen Jahres die Priesterweihe. Nach dem Vikariat in Südpolen meldete sich Pater Rauer freiwillig als Zwangsarbeiter nach Deutschland. In der Rüstungsindustrie Magdeburgs betreute er als Priester heimlich seine dort eingesetzten Landsleute. In Magdeburg erlebte er auch die anglo-amerikanischen Luftangriffe. Es ist anzunehmen, dass Pater Rauer durch seine gepflegte deutsche Sprache und seinen unverfänglichen deutschen Familiennamen von seiner damaligen Umgebung nicht sofort als Pole erkannt wurde. Was jedoch in der Nazizeit von gewissem Vorteil war, konnte mit Gewissheit von der Staatssicherheit der Nachkriegsjahre als Verrat an der eigenen Nation ausgelegt werden. So ist Pater Rauer zuerst als Pfarradministrator im polnischen Pommern und später als Krankenhausseelsorger in der niederschlesischen Stadt Schweidnitz/Swidnica tätig.

Die 70-er und 80-er Jahre in der DDR waren charakterisiert von einem ständigen Arbeitskräftemangel. Neben anzulernenden Arbeitskräften aus Entwicklungsländern Asiens und Afrikas vermittelten auch die polnischen Arbeitsämter Industriearbeiter auf Kontraktbasis in die „befreundete“ DDR. Freilich war an eine Seelsorge durch polnische Priester dabei weder gedacht noch eine solche überhaupt erwünscht. Pater Antoni Rauer erfasste seine neue Aufgabe, zu der er sich bei seiner Ordensprofess verpflichtet hatte: den geistlichen Dienst an seinen Landsleuten im Ausland. So beginnt für Pater Rauer seine zweite Magdeburger Zeit.

Besuchte man die stattfindenden Gottesdienste, dann fielen einige ungewöhnliche Dinge auf: Pater Rauer begrüßte jeden Gottesdienstbesucher mit der Frage: „Wer bist Du?“ und „Wo kommst Du her?“
Seine Predigten hielt Pater Rauer im Sitzen ab. Dabei konnte der konziliante Rahmen gewahrt werden.
Nicht selten enthielten seine Predigten Appelle an die Wahrung der ehelichen Treue und das ehrliche Verwalten des in der Fremde verdienten Lohns, auf den ja die Familie daheim angewiesen war.

Schließlich wurde die Hl. Kommunion nur selten ausgeteilt. Anders als in Deutschland gehen die polnischen Gläubigen in aller Regel vorher zum Bußsakrament. Wenn Pater Rauer den Empfang der Eucharistie in der Heimatgemeinde empfahl, so könnte das mit der Zeitnot des auswärtigen Priesters begründet sein. Sicherlich hatte der erfahrene Arbeiterpriester auch die Aufrichtigkeit des Sündenbekenntnisses und die Bußfertigkeit seiner Anbefohlenen im Auge.

Der im „normalen“ bürgerlichen Leben stehende und die übliche gottesdienstlichen Praxis versehende Katholik erkennt erst „beim näheren Hinsehen“ die Zweckdienlichkeit solchen seelsorgerischen Wirkens des Arbeiterpriesters. Wer Pater Antoni Rauer kannte, wusste um seine Humor und seine Lebendigkeit, die ihm sein priesterliches Wirken in den Außenstationen des Bistums Magdeburg und die damit verbundene Belastung leichter machen ließen.

Am 31. März 1995 wurde Pater Antoni Rauer in die Ewigkeit abberufen.

Autor: N. Pietsch



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